Flüssigstickstoff ist ein farbloses, geschmack-, geruchloses und nicht brennbares Gas, das leichter als Luft ist. Die Luft besteht zum größten Teil (78,1 Volumen-Prozent) aus Stickstoff. Er ist reaktionsträge (inert) und kann weder die Verbrennung noch die Atmung unterstützen. Beim atmosphärischen Standarddruck von 1,01 bar liegt die Temperatur von Flüssigstickstoff bei -196°C. Dank dieser Eigenschaft ist er vielseitig einsetzbar.
Aufgrund des niedrigen Siedepunkts wird flüssiger Stickstoff (engl. „Liquid Nitrogen“, LN) als Kältemedium in der Kryotechnik eingesetzt.
Der Stickstoff entzieht dabei dem Kühlgut seine Verdampfungswärme und hält dieses solange kalt, bis er verdampft ist.
Gegenüber flüssigem Sauerstoff, der bei −183°C (90 K) siedet, liegt der Siedepunkt von LN bei -196°C (um 13 K niedriger). Der Flüssigstickstoff wird industriell in großen Mengen zusammen mit Flüssigsauerstoff durch fraktionierte Destillation von flüssiger Luft hergestellt.
Der flüssige Stickstoff (Dichte 807 g/l) wird unter anderem dazu verwendet, bei Hochtemperatur-Supraleitern den supraleitenden Zustand zu erzeugen.
Er wird auch zur Lagerung biologischer und medizinischer Proben, Eizellen und Spermien, sowie zum Schockfrieren von biologischem Material verwendet.
Ein Beispiel ist auch die Kühlung von Infrarot-Fotoempfängern, um deren thermisches Rauschen zu verringern oder überhaupt erst einen halbleitenden Zustand in ihnen herbeizuführen.
Kaltschrumpfen – festes Verbinden zweier Bauteile.
Es ist allgemein bekannt, das sich Gegenstände ausdehnen wenn diese erwärmt werden und sich zusammenziehen wenn diese abgeühlt werden.
Die extreme Kälteleistung von Flüssigstickstickstoff (Siedepunkt -196°C / 77K) wird in der industriellen Anwendung dazu genutzt Bauteile, wie z.B. Gebtriebewellen, durch Presspassung zu verbinden.
Diese Art der Schrumpftechnik nennt man Kaltdehnen. Hierbei wird die Eigenschaft der Wärmeausdehnung genutzt. Vor allem in der Automobil-Industrie, der Fahrzeug-, Luft- und Raumfahrt- als auch der Eisenbahntechnik wird dieses Verfahren verwendet, um zwei metallische Bauteile, wie Welle und Ring, unlösbar miteinander zu verbinden.
Tieftemperaturbehandlung von metallischen Bauteilen und Werkzeugen.
Im Bereich der Werkstofftechnik wird Flüssigstickstoff genutzt um Restaustenit in bestimmten gehärteten Stählen zu beseitigen oder die Werkstoffe durch „Tiefkühlen“ künstlich zu altern bzw. zur Steigerung der Härte.
Bohrer, Fräsen, Drechseleisen und Sägen erhalten eine höhere Lebensdauer oder können mit einer höheren Drehzahl/Kadenz betrieben werden.
Getriebe, Antriebsstränge, Achsen
Eine höhere Belastung durch Drehmoment und Leistung ist möglich, insbesondere bei leistungsgesteigerten Motoren im Rennsport.
Im Sport ermöglichen dermaßen gehärtete Kufen von Schlitten, Schlittschuhen, Kufen der Rennbobs oder auch die Kanten von Skiern höhere Geschwindigkeiten. Diese Oberflächenveränderung erhöht mitunter deutlich die Griffigkeit und verlängert die Lebensdauer.
Bei Schusswaffen wird durch die Reduzierung der Schwingungen, die bei Schussabgabe entstehen, eine erkennbare Verbesserung des Trefferbildes erzielt; zugleich wird eine optimalere Wärmeableitung erreicht.
Musiker von Saiten- und Blechblasinstrumenten schätzen die positiven Effekte dieses Verfahren aufgrund eines deutlich hörbaren harmonischeren und glatteren Sounds.
Bodenvereisung im Tiefbau.
Die Baugrundvereisung ist ein Verfahren im Tiefbau wobei mittels Flüssigstickstoff eine Bodenvereisung erzeugt wird. Hierbei wird durch künstliches Gefrieren des Bodenwassers der Grund durch die Einleitung von Flüssigstickstoff, als Kältemittel, verfestigt und wasserundurchlässig gemacht. Der so entstehende Frostkörper verleiht der Baugrube Stabilität und schützt diese dann vor Wasserzutritt.
Recycling
Immer öfter wird in Recyclingprozessen tiefkalter Flüssigstickstoff als effizientes Kältemittel verwendet.
Das kryogene Mahlverfahren bewirkt dass sich die Bestandteile von Verbundstoffen zerlegen um anschließend zerkleinert zu werden.
Auch beim Recycling von Altreifen wird das Verfahren der kryogenen Vermahlung zunehmend eingesetzt. Die extreme Kälte es tiefkalten Mediums bewirkt dabei eine Versprödung des Materials.
Somit lassen in einem einzigen Verfahrensschritt sowohl die Stahl- und Faseranteile aufschließen und zugleich die Gummifraktion in ein Granulat zerkleinern.
Chirurgie, Kosmetik und Wellness.
Als Kältetherapie (Kryotherapie) versteht man in der Medizin die Behandlung mit Kälte, wobei die Körperoberfläche für einen kurzen Zeitraum extrem niedrigen Temperaturen ausgesetzt wird, um Körperreaktionen zu erzeugen und auszunutzen. Die Dermatologie nutzt Flüssigstickstoff als Kältemittel speziell bei der Warzenvereisung und Behandlung von Hautirritationen.
Die Medizin setzt auf den Einsatz von Flüssigstickstoff bei der Schmerzbehandlung, vor allem bei Rheumapatienten.
Im Bereich des Sports wird mittlerweile Flüssigstickstoff als Kältemittel genutzt, um die Regeneration nach dem Training zu beschleunigen, die Rehabilitationszeit nach Sportverletzungen zu verkürzen als auch zur Unterstütztung des Ausdauer- und Krafttrainings.
Flüssigstickstoff in der Profiküche – CRYO-Cooking.
Spannende Showeffekte verbunden mit interessanten Geschmackserlebnissen „CRYO-Cooking“ – Kochen mit Flüssigstickstoff – bildet momentan einen Trend in der internationalen Gourmetszene.
Beim ‚Kochen mit Flüssigstickstoff‘ wird nicht im eigentlichen Sinne gegart, vielmehr lediglich die Oberfläche einer Paste, einer Emulsion, einer Flüssigkeit oder einer festen Zutat verändert. Durch das kurzzeitige Einwirken von Flüssigstickstoff entsteht eine Eiskruste wie bei der Zubereitung von Sorbets, pulvriger Pralinen, Baisers und Eis.
Stickstoff-Bestattung
In Deutschland noch weitestgehend experimentell ist die „Stickstoff-Bestattung“ (grüne Bestattung). Als Alternative zur Leichenverbrennung wird der Leichnam bei -18°C schockgefroren und dann in ein Bad aus flüssigem Stickstoff von -196°C gegeben. Der so erstarrte Körper wird daraufhin brüchig wie Glas. Durch Schallwellen und Erschütterung zerfällt er zu einer pulverigen Substanz. In einer Vakuumkammer wird der Substanz das Wasser entzogen, anschließend werden Metallteile – z. B. Zahnfüllungen – entfernt.
Die sterblichen Überreste können nun in einem kleinen, biologisch abbaubaren Urnen-Gefäß beigesetzt werden. Zur Bestattung reicht ein flaches Grab von etwa 30 cm Tiefe, wo Sauerstoff und Bakterien den Zersetzungsprozess einleiten. Die Verrottung ist schon innerhalb eines halben Jahres abgeschlossen.
Zum Vergleich: Eine herkömmliche Holzsarg-Bestattung geschieht in etwa 2 m Tiefe und der Zersetzungsprozess dauert mehrere Jahre.
Transportkühlung
Im LKW-Verteilerverkehr sorgt Flüssigstickstoff für eine schnelle Kälteleistung und kühlt das wärmeempfindliche Ladegut. Durch die Verdampfung des tiefkalten Flüssigstickstoffs wird der Umgebung die für die Tiefkühlkost schädliche Wärme entzogen. Damit wird der Laderaum nach einer Türöffnung extrem schnell wieder auf die nötige Temperatur gebracht.